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St.Stephan – neue Heimat

Für Deutsche aus Südosteuropa

Text von Karl Knapp aus "Griesheim - Von der steinzeitlichen Siedlung zur Lebendigen Stadt"

Auf ursprünglich Griesheimer Gemarkungsgebiet, das 1938 zwangsweise der Stadt Darmstadt zugeschlagen worden war, ist unter tatkräftiger Förderung durch dendamaligen Darmstädter Oberbürgermeister Ludwig Metzger, durch die Kirchliche Hilfsstelle sowie durch das Land Hessen im Jahre 1948 die Siedlung St. Stephan entstanden.

Vierundvierzig ungarn-deutsche Familien in zweiundzwanzig Siedlerstellen hatten unter persönlichen Entbehrungen und großem Einsatz in Selbsthilfe die ersten elf Häuser fertig gestellt und bezogen.

Sie hatten sich auf einem Gelände niedergelassen, das durch landwirtschaftlich unergiebige, eiszeitliche Flugsande geprägt war und unter Trockenheit und Winderosion litt – und noch leidet.

Seine vorherige jahrzehntelange Verwendung als Artillerieschießplatz und Militärflugplatz sowie die weiterhin bestehenden militärischen Sperrzonen boten keineswegs ideale Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Gemeinwesens. Die ersten giebelständigen Siedlungshäuser waren in zwei Siedlerstellen und zwei Mansardenwohnungen geteilt und hatten einen Grundriss von 10 x 15 Metern. Nebengebäude und Stallungen vervollständigten die Anwesen. Der ausgeprägte Sippengeist bewirkte, dass verstreut im gesamten Bundesgebiet lebende Angehörige zusammengezogen wurden, so dass 1949/1950 eine zweite Siedlerwelle folgte. Zu dieser Zeit waren in jeder Siedlerstelle mit sechs Räumen zwischen vierzehn und zwanzig Personen polizeilich gemeldet.

Nach dem Willen der Planer sollte St. Stephan im Endausbau den Grundriss eines nach Osten weisenden Christuskörpers erhalten, bei dem der Dorfanger den Körper, das Gebiet um die Kirche den Kopf und zwei von dort nach Norden bzw. Süden führende Straßenzüge die ausgebreiteten Arme darstellen sollten. Der südliche Straßenzug konnte jedoch wegen der fortdauernden militärischen Nutzung des Geländes nicht verwirklicht werden.

Den einzelnen Siedlern teilte man zunächst zwei Hektar, später drei Hektar Land zur Bewirtschaftung zu. Wie in der von ihren Vorvätern kolonialisierten Heimat in Ungarn, bauten sie vor allem Kartoffeln und Mais an, ließen aber auch mit der Anlage von Weingärten einen in diesem Gebiet im Mittelalter lange bestehenden Griesheimer Erwerbszweig vorübergehend wieder aufleben. Zusammen mit der Schweinemast schufen sie sich in den ersten kargen Jahren eine ausreichende Lebensgrundlage als Selbstversorger. Die in Griesheim bis zu dieser Zeit kaum bekannte, heute aber sehr beliebte Verwendung von Paprika geht auf die Siedler zurück. 

Später haben sich die St. Stephaner jedoch dem ertragreicheren Spargelanbau zugewendet. Die allgemeine Verbesserung der Einkommenssituation ermöglichte nicht nur den Umbau und die Modernisierung der damaligen Siedlungshäuser, sondern auch eine beträchtliche Bebauungsverdichtung. Neue Baugebiete konnten über den ursprünglichen Siedlungsbereich hinaus erschlossen werden.

Auch für soziale und kulturelle Aufgaben schlossen sich die Neubürger zusammen. Davon zeugen die Gründung einer Bezugs- und Absatzgenossenschaft (1948), eines Feuerwehrvereins (1949) , der Pfarrjugend (1949), eines Gesangvereins (1951) – jetzt Kirchenchor -, einer Volkstanzgruppe (1952), eines Sportvereins (1953), einer Ortsgruppe des Roten Kreuzes (1956) und eines Carneval-Vereins (1960).

Im Zuge der Gebietsreform gliederte man zum 1.Januar 1977 das Wohngebiet der Siedlung St. Stephan (47,3 ha) mit rund 2000 Einwohnern an Griesheim zurück, mit dessen expandierender Bebauung es längst zusammengewachsen war. Die im Süden liegenden bewirtschafteten Felder verblieben weiterhin in der Gemarkung Darmstadt.

Zur verstärkten Integration trugen der Bau eines Bürgerhauses 1981/82 und die Neugestaltung des St.-Stephans-Platzes als Grün- und Spielanlage mit einem Denkmal für die Vertreibung 1988/89 bei. Umfassende Verbesserung am Kindergarten in der Draustraße, der Bau des Kindergartens „Spielwiese“ und die Errichtung eines neuen Pfarrzentrums brachten eine weitere Aufwertung der Lebensbedingungen in diesem Teil der Stadt.

(Karl Knapp)